Mittwoch, 19. Oktober 2016

20.10.1902 Geburtstag Leopold Figl

20.10.1902   Geburtstag Leopold FIGL ÖVP-Politiker, Todestag 9. 5.1965
Leopold Figl war ein Politiker der ÖVP. Von 1945 bis 1953 war er der erste Bundeskanzler der Zweiten Republik Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg und, nach der Provisorischen Staatsregierung unter Karl Renner, gleichzeitig der erste Bundeskanzler einer demokratisch legiti­mierten österreichischen Bundesregierung seit 1934. Als Außenminister war er danach an den Verhandlungen zum Österreichischen Staatsvertrag beteiligt, den er 1955 für Österreich unterzeichnete.
Der Österreichische Staatsvertrag, im Langtitel Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, gegeben zu Wien am 15. Mai 1955, juristisch kurz Staatsvertrag von Wien, wurde am 15. Mai 1955 in Wien im Schloss Belvedere von Vertretern der alliierten Besatzungsmächte USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien sowie der österreichischen Bundesregierung unterzeichnet und trat am 27. Juli 1955 offiziell in Kraft.
Gegenstand dieses Vertrages ist die Wiederherstellung der souveränen und demokratischen Republik Österreich nach der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich von 1938 bis 1945, dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der darauf folgenden Besatzungszeit von 1945 bis1955. Während dieser Besatzungszeit war Österreich zwar formal wiederhergestellt, aber noch kein selbständiger Staat. Dieser Staatsvertrag gilt auch als ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung eines eigenständigen Österreichbewußtseins.
Der Staatsvertrag trägt die Unterschriften folgender neun Personen:
1. Wjatscheslaw Michailowitsch MOLOTOW, Außenminister der Sowjetunion
2. Iwan Iwanowitsch ILJITSCHOW, Hochkommissar und Gesandter der Sowjetunion
3. Harold MACMILLAN, Außenminister von Großbritannien
4. Geoffrey Arnold WALLINGER, Hochkommissar und Botschafter Großbritanniens
5. John Foster DULLES, Außenminister der USA
6. Llewellyn E. THOMPSON Jr., Hochkommissar und Botschafter der USA
7. Antoine PINAY, Außenminister von Frankreich
8. Roger LALOUETTE, Stellvertretender Hochkommissar, Gesandter von Frankreich
9. Leopold FIGL, Außenminister von Österreich
Österreich war mit dem Staatsvertrag der einzige europäische Staat, der nach 1945 bis zur samtenen Revolution 1989 auf friedlichem Weg frei von allen Besatzungsmächten wurde. In der Zeit des Kalten Krieges wurden Anschlußverbot und immerwäh-rende Neutralität dahingehend interpretiert, daß Österreich der Beitritt zur EWG nicht erlaubt sei. So trat Österreich 1959 mit Wirkung vom 1. Jänner 1960 der Europäischen Freihandels-assoziation (EFTA) bei, der damals auch Norwegen, Schweden, Dänemark, Großbritannien, Portugal und die Schweiz angehörten. Erst 1995 wurde es Mitglied der Europäischen Union.
Zu den Zeugnissen des besonderen Stellenwerts des Staats-vertrags zählt nicht nur der Umstand, daß Bundeskanzler Julius Raab das Attribut Staatsvertragskanzler erhielt; dazu zählen auch volksnahe Geschichten in Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Vertrags, die von einem politischen Mythos des Dokuments zeugen.
Außenminister Figl, der auch bei politischen Gegnern beliebt war, wurde vom Volk eine gewisse Trinkfestigkeit zugeschrieben. Daher war lange Zeit die Legende verbreitet worden, Raab und Figl hätten den russischen Außenminister Molotow in Heurigenstimmung von der Streichung des Hinweises auf Österreichs NS-Vergangenheit aus der Präambel überzeugen können. In einer Karikatur von Hanns Erich Köhler für die Münchner Zeitschrift Simplicissimus mit dem Titel Wiener Charme in Moskau wurde der Zither spielende Raab dargestellt, dem Figl, während die russischen Gesprächspartner bereits in Tränen ausbrechen, etwas ins Ohr flüstert:
“Und jetzt, Raab – jetzt noch d’ Reblaus, dann sans waach!“
 (Die Reblaus ist ein beliebtes Heurigenlied – Text siehe Anhang; sans waach = sind sie weich = sind sie milde gestimmt und bereit nachzugeben.)
Die Zither Raabs sowie die Noten, auf denen sich auch Notizen der Russen befinden, tauchte 2011 wieder auf und wird im Julius-Saal der Hypo NOE in St. Pölten ausgestellt.
Bei der Vertragsunterzeichnung im Schloss Belvedere fielen als Abschlußsatz der Dankesrede Figls auch seine berühmten Worte Österreich ist frei! – eines der bekanntesten politischen Zitate der jüngeren Geschichte Österreichs. Der Satz wurde im Marmorsaal gesprochen und nicht, wie oft kolportiert, auf dem Balkon bei der Präsentation des Vertrages. Dieses bis heute festgefahrene Mißverständnis hat seinen Ursprung in der medialen Berichterstattung, denn in einer Dokumentation der Austria Wochenschau sind die Bilder, die Figl auf dem Balkon bei der Präsentation des Vertrages zeigen, mit den nämlichen Worten seiner Rede unterlegt worden. Diese öffentliche Präsentation auf dem Balkon soll laut Berichten von Augenzeugen im Protokoll der Unterzeichnungszeremonie nicht vorgesehen gewesen, sondern von Figl spontan initiiert worden sein.
Lange Zeit war der Allgemeinheit kaum bekannt, daß sich das Original des Staatsvertrags im Staatsarchiv des Außen-ministeriums in Moskau und nicht in Österreich befindet. Im österreichischen Staatsarchiv ist nur eine Abschrift vorhanden. Im so genannten Jubiläumsjahr 2005 wurde diese Tatsache deutlich, als die Vertragsurkunde aus Moskau nach Österreich geholt und auf der Schallaburg in Niederösterreich sowie im Wiener Belvedere der Öffentlichkeit im Rahmen von Ausstellungen erstmals gezeigt werden konnte.



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